Interview mit dem WDR-Sportchef Steffen Simon

Vom 10. Juni an widmet sich Steffen Simon wieder dem großen Fußball. Der Sportchef des Westdeutschen Rundfunks (WDR) und Redaktionsleiter der Sportschau wird für die ARD aus Frankreich Spiele der Fußball-Europameisterschaft kommentieren. Zuvor steht für Simon allerdings der Fußball an der Basis an. Der WDR koordiniert nicht nur die Übertragung der Livekonferenz am Finaltag der Amateure am 28. Mai im Ersten. Simon wird auch das Finale im Mittelrhein zwischen dem Kölner Drittligisten Fortuna und dem Regionalligisten Viktoria kommentieren.

Interview mit dem WDR-Sportchef Steffen Simon

Im Interview mit FUSSBALL.DE erzählt Steffen Simon, mit welchem logistischen Aufwand die ARD den Finaltag der Amateure angeht, wie er sich auf das Landespokalfinale vorbereitet und warum der Amateurfußball so reizvoll ist.

FUSSBALL.DE: Was bedeutet der Finaltag der Amateure, die Live-Übertragung der Landespokalendspiele im Fernsehen, für die ARD?

Steffen Simon: Ein neues, großes Abenteuer, auf das wir uns sehr freuen. Es ist ein neues Format, das uns technisch vor große Herausforderungen stellt. Es wird von der Produktion her eine der größten Unternehmungen, der wir uns in der Sportgeschichte unseres Senders je gestellt haben.

 

"Wir werden in den Stadien Standards haben, wie wir sie aus der 3. Liga kennen"

Umgekehrt gefragt: Welches Signal geht für den Amateurfußball aus?

Simon: Die ARD ist wie der DFB eine sehr föderale Organisation. Wir zeigen mit dieser Aktion, wie wichtig uns die Basis ist. Wir freuen uns sehr darauf, damit ein Zeichen zu setzen. Und es ist beeindruckend, mit welcher Dynamik und mit welchem Engagement diese Aktion von den Landesverbänden selbst getragen wird. Dass in einer Rekordzeit von zwölf Monaten solch ein Projekt von so einer Größe entstehen kann, das grenzt schon an ein kleines Wunder. Das haben wir dem Einsatz der Landesverbände zu verdanken. Das ist Basisdemokratie im besten Sinne.

Wie groß ist der Aufwand, den die ARD betreibt?

Simon: Stand heute produzieren wir 17 Spiele in den Stadien. Wir haben dafür ein sehr großes Leitungspaket gebucht. Wenn man sich den vergangenen Bundesligaspieltag vor Augen hält, dann mussten wir neun Leitungen gleichzeitig verarbeiten. Wenn wir uns die Konferenzsituation am Finaltag der Amateure vorstellen, müssen wir vom „worst case“ ausgehen - dass also alle Spiele eines Konferenz-Slots, wir haben ja drei verschiedene Anstoßzeiten, in die Verlängerung gehen und somit in den nächsten Slot hineinragen. Wir müssen also theoretisch 13 oder 14 Leitungen parallel verarbeiten. Und das haben wir tatsächlich noch nie gemacht. Dieser Umfang ist für uns eine neue Herausforderung.

Welche Unterschiede oder auch Gemeinsamkeiten gibt es etwa zur Übertragung eines Länderspiels?

Simon: Bei den Länderspielen ist der Aufwand im Stadion deutlich höher. Wir werden beim Finaltag der Amateure nicht mit 22 Kameras in den Stadien aufschlagen. Das wäre weder logistisch noch finanziell leistbar. Wir werden Standards haben, wie wir sie aus der 3. Liga kennen.

Ist Ihnen Vergleichbares aus anderen Ländern oder aus anderen Branchen, etwa der Musik, bekannt?

Simon: Wir kennen Vergleichbares von Musikfestivals. Aber im Sport ragt das schon an Dimensionen eines Großereignisses, sprich von Olympischen Spielen, heran. Im Fußball ist das, was wir vorhaben, nach meinen Informationen weltweit einmalig.

Im vergangenen Jahr gab es einen regionalen Test im WDR, der die Landespokalendspiele aus Westfalen, vom Nieder- und vom Mittelrhein live in einer Konferenzschaltung zeigte. Der Probelauf verlief demnach erfolgreich.

Simon: Der ist tatsächlich erfolgreich verlaufen. Sowohl technisch, als auch vom Zuschauerinteresse her. Das hat uns Mut gemacht, daraus eine bundesweite Aktion zu machen. Man weiß bei den Landespokalen schließlich nie, wie populär eine Finalbegegnung am Ende ausfällt. Wenn man eine bundesweite Konferenz daraus macht, dann hat man die Gewähr, dass ein paar Namen und Traditionsvereine dabei sind, die aufgrund ihrer Vergangenheit ein deutschlandweites Interesse hervorrufen. Hansa Rostock oder Rot-Weiss Essen etwa haben Strahlkraft und sind echte Zugpferde. Es sind jede Menge weiterer Namen dabei, die man aus Zweitliga-, wenn nicht sogar aus Bundesligazeiten kennt. Wattenscheid , Ahlen , Unterhaching , Wuppertal, Lübeck , Fortuna Köln : Es sind viele Marken dabei, an die man sich aus früheren Zeiten erinnert.

Wie bereiten sich die Kommentatoren auf die Endspiele vor? Jeden Spieler können sie wahrscheinlich nicht kennen.

Simon: Da kann ich nur für mich selbst sprechen, ich werde das Mittelrheinfinale aus Bonn kommentieren. Natürlich geht man dann vorher mal ins Stadion. Weil ich früher direkt neben dem Südstadion gelebt habe, bin ich ohnehin auch privat häufiger mal bei Fortuna Köln . Und Viktoria Köln habe ich mir unlängst im Spitzenspiel gegen Borussia Mönchengladbach II angeschaut. Es ist gut, wenn man vorher mal bei den beiden Finalteilnehmern vorbeischaut.

Mussten Sie bei Ihren Kollegen Überzeugungsarbeit leisten, neben dem großen Fußball auch mal den kleinen zu zeigen, oder sind alle begeistert von der Abwechslung?

Simon: Es gab vonseiten der ARD-Sportchefs überhaupt keine Bedenken, alle waren sofort begeistert von dieser Aktion und haben gesagt: Da sind wir dabei. Die Rückendeckung der Entscheidungsträger war zu hundert Prozent gegeben. Einige Sendeanstalten trifft es dabei härter als andere. Allein der SWR hat fünf Landespokale in seinem Sendegebiet. Die Kollegen müssen einen unheimlichen Aufwand betreiben. Wir im Westen haben drei.

Was macht für Sie den Reiz des Amateurfußballs aus?

Simon: Dass es nicht ganz so überkandidelt zugeht. Dass es nicht ganz so aufgeregt ist. Dass alles und alle noch zugänglich sind. Dass nicht so ein riesengroßer Apparat drumherum gesponnen ist. Das ist eine sehr angenehme Angelegenheit.

Schauen Sie sich auch privat Amateurspiele an? Und ist vielleicht ein Klub beim Finaltag dabei, dem sie besonders die Daumen drücken?

Simon: Klar schaue ich mir privat auch den kleinen Fußball an. Meine journalistische Unabhängigkeit verpflichtet mich aber dazu, neutral zu bleiben.

Das große Ziel der Teilnehmer am Finaltag der Amateure ist der DFB-Pokal. Was zeichnet diesen Wettbewerb aus?

Simon: Der Finaltag der Amateure ist nicht die Runde 0 des DFB-Pokals. Aber um sich als Amateurverein den großen Traum vom großen Los realisieren zu können, muss ich meinen Landespokal gewonnen haben. Insofern haben beide Wettbewerbe miteinander zu tun, es gibt eine direkte Verzahnung. Das ist das Einzigartige an diesem Wettbewerb. Kein anderer bildet den Fußball so in seiner Gesamtheit ab wie der DFB-Pokal einschließlich der Landespokale vorneweg. Das macht ihn so wunderbar und für die ARD zu unserem Wettbewerb. Wir denken, dass wir dafür der perfekte Partner sind.

Autor: Arne Leyenberg

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